Franco Bonisolli

Franco Bonisolli entsprach dem Bild des Mannes in Perfektion. Er war groß, schlank, sehr gut aussehend und besaß eine charismatische Persönlichkeit mit einer faszinierenden Ausstrahlung.

Franco Bonisolli wurde am 25.5.1935 im norditaliänischen Rovereto geboren. Er war Schüler des Tenors Alfredo Lattaro. 1951 gewann er den internationalen Gesangswettbewerb von Spoleto und debütierte darauf beim dortigen Festival als Ruggiero in Puccinis „La Rondine“. Hier arbeitete er mit Vincenzo Bellezza, dem damals 84 jährigen Opernchef von Neapel zusammen, der letzte noch lebende Dirigent, der mit Caruso gearbeitet hatte. Bonisolli geriet immer ins Schwärmen bei der Erwähnung dieses Sängers, über dessen Persönlichkeit ihm Bellezza vieles Authentische mitgeteilt hat. „Caruso hat die Grenzen der Perfektion in einer derart heftigen Weise erreicht, wie ihm das heute niemand auch nur annähernd gleichtun könnte. Die Schönheit des Tons, die Qualität des Ausdrucks, bei ihm ist hundertprozentig. Er ist wahr, authentisch und eben deshalb immer modern. Seine Technik, seine Stimme, das ist eine solide Konstruktion“, sagte Bonisolli.

Von nun an feierte er erste Erfolge an den italienischen Opernhäusern in Rom, Neapel, Palermo, Bologna, Florenz, Turin, Vendig, und wirkte in zahlreichen Rundfunkproduktionen der RAI mit.

1965 war er in Amsterdam als der Grieux in Puccinis „Manon Lescaut“ zu hören. Die Karriere des Künstlers nahm jetzt eine schnelle Entwicklung. 1968 wurde er Mitglied der Wiener Staatsoper.

Diese schnellen internationalen Erfolge hat er in erster Linie seiner Stimme zu verdanken. Sie war eine Naturgewalt, mit dunkler Färbung, männlich, mit großer Tragkraft und einer fulminanten Höhe. Er konnte ein unvergleichbares hohes „C“ singen.

1968 debütierte er an der Mailänder Scala und ein Jahr später als Alfredo in „La Traviata“ an der Oper von San Francisco und der Wiener Staatsoper. 1971 feierte er Erfolge an der Metropolitan Opera in New York, als Graf Almaviva im „Barbier von Sevilla“. Schlag auf Schlag folgten alle großen Häuser der Welt, von Dallas, Washington, über Barcelona, Paris, Antwerpen, Madrid, Oviedo, Nizza, Toulouse, Monte Carlo, Kapstadt, bis nach Rio de Janeiro.

In der Mitte der 1970er Jahre ersetzte er die leichteren, lyrischen Rollen gegen ein schwereres Repertoire. Er wurde ein gefragter Interpret des Manrico in „Il Trovatore“, als Giordanos in „Andrea Chénier“, als Calaf in „Turandot“, Canio in „Pagliacci“ und schließlich in Verdis „Otello“.

Caruso ist Bonisollis großes Vorbild. Nicht, daß er ihn zu kopieren, zu imitieren sucht. Er hört die Platten des Öfteren und versucht dabei physisch dessen körperliche Gespanntheit auf die Spur zu kommen, der Organisation der Muskeln während der Tätigkeit des Singens. Das vokale Ergebnis kann bei beiden Sängern trotz gleichen Körpergefühles völlig unterschiedlich sein. So meint Bonisolli, daß seine eigenen Interpretationen eher als zupackend, ja aggressiv zu charakterisieren seien, während Caruso ganz ruhig und ausgeglichen gesungen habe. Zwei weitere Leitbilder nennt Bonisolli: den italienischen Tenor Galliano Masini, der trotz einer ausgesprochen kräftigen, männlichen Stimme aber aufgrund einer ungünstigen gesundheitlichen Verfassung nie die große Karriere hat machen können. Auch der deutsche Tenor Franz Völker zählte zu seinen Vorbildern, dessen starke emotionale Ausdrucksfähigkeit er tief bewundert, als einen «deutschen Caruso» und gesteht, daß es Völkers Interpretation gewesen sei, die ihm die Idee eingegeben habe, sich irgendwann später einmal mit Wagners „Lohengrin“ zu befassen.

Seine intensive Schaffenskraft war auf dem Höhepunkt. 1978 kam er nach Deutschland und sang als Gast an der Hamburger Staatsoper. Hier hörte ich Franco Bonisolli als Arnold in „Wilhelm Tell“ und als Manrico im „Troubadour“. Bonisolli strahle eine große Bühnenpräsenz aus, sang hervorragend doch es fehlte jedoch die letzte künstlerische Reife in der Gestaltung der Rolle des „Arnoldo“.

Auffällig die Mischung zwischen stimmlich leichter gewichtigen Partien wie Riccardo „Ballo in Maschera“ und solchen, die im Allgemeinen schwer, fast heldisch besetzt werden, wie etwa der Othello. Bonisolli kennt da keine engen Fachgrenzen. Er hat trotz Weiterentwicklung seiner Stimme alle lyrischen Partien im Repertoire behalten, singt nach wie vor Nadir und Nemorino. Seine schon erwähnte scheinbar unerschöpfliche Höhe befähigt Bonisolli auch Spezialpartien zu übernehmen wie den Arnoldo in Rossinis „Guglielmo Tell“, der, nachdem er hohe Cs im Dutzend zu produzieren hatte, gleich darauf eine makellose Mezzavoce vorzuführen hat.

Bonisolli könnte sich verausgabt haben, seine rastlosen, weltweiten Auftritte in den großen Häusern der Welt forderten ihren Tribut. Im Zeitalter des Jetsets genoss Bonisolli seinen Ruhm, pausenlos auf den Bühnen von Hamburg bis nach Rio de Janeiro.

In Europe wurden ihm zu dieser Zeit Prämieren und Wiederaufnahmen anvertraut. Er sang an der Deutschen Oper Berlin und dem Royal Opera House „Covent Garden“ in London. Daneben nahm er zahlreiche Opern-Gesamteinspielungen für EMI, Decca, Eurodisc, Orfeo, Deutsche Grammophon, Capriccio u.a. auf. Zu seinen Glanzpartien zählten Rodolfo in “La Boheme“, Cavaradossi in“Tosca“, Alfredo in “La Traviata“, Riccardo in “Un Ballo in Maschera”, der Radames in ”Aida”, Arnoldo on ”Guglielmo Tell”, Des Grieux in ”Manon Lescaut”, Johnson in ”Fanciulla del West”, Manrico in “Il Trovatore“, “Otello” und Calaf in „Turandot“.

Franco Bonisolli galt als sehr charismatisch, eigenwillig und sehr impulsiv. Auch hatte man oft den Eindruck, dass sich alles um ihn drehen sollte. Waren Kollegen oder Orchester nicht gut genug, konnte es leicht passieren, dass Bonisolli die Bühne verließ und manchmal tatsächlich nicht wiederkam. Legendär war seine Auseinandersetzung mit Herbert von Karajan bei einer öffentlichen Generalprobe für eine Fernsehaufzeichnung des Troubadours in Wien. Wegen Missfallenskundgebungen aus dem Publikum warf er das Schwert vor die Füße und verließ die Bühne. Bonisolli kehrte nicht mehr zurück und wurde durch Placido Domingo ersetzt. Dieses aber wurde zu einem denkwürdigen Desaster: Franco Bonisolli, der den Manrico schon in Salzburg gesungen hatte, befand sich nicht in bester Verfassung und verließ nach seiner Arie »Ah sì, ben mio« als Reaktion auf Unmutsäußerungen des Publikums noch vor der anschließenden Stretta die Bühne. Karajan bewies zwar gute Nerven und dirigierte die Probe zu Ende, doch Bonisolli sagte alle Vorstellungen ab. Nun war guter Rat im wahrsten Sinne des Wortes teuer. Der geplante Termin der Übertragung war in keinem Fall zu halten, ein attraktiver Sänger, den man im Fernsehen als Manrico anbieten konnte, nicht in so kurzer Zeit zu finden. Millionenverträge mit den Mitwirkenden und elf europäischen Fernsehstationen standen auf dem Spiel. Nicht nur die Wiener Zeitungen schwelgten in Berichten über gegenseitige Schuldzuweisungen, Schadenersatzforderungen und die verzweifelten Anstrengungen, das Ereignis doch noch zu retten. Doch das Wunder geschah: Plácido Domingo konnte für zwei Vorstellungen als Manrico gewonnen, der Termin der Fernsehübertragung auf den 1. Mai verschoben werden. Zwar gab es an diesem Abend keine Eurovisionssendung, doch zumindest Österreichs Musikfreunde kamen via Bildschirm in den Genuss eines großen und vom Publikum demonstrativ bejubelten Opernabends, dem – auch in der vorliegenden Aufzeichnung – keinerlei Nervosität anzumerken war.

Auf diesen „Skandal“ wollte Bonisolli nicht mehr angesprochen werden, und er verweigerte jede Aussage zu den Ereignissen, die sich 1978 in Wien abgespielt haben. Bonisolli hat allerdings seit diesen Geschehnissen wieder 45 Vorstellungen an der Staatsoper in Wien gesungen und dies sei doch Beweis genug, dass man ihm dort nichts vorzuwerfen habe, sagte er. Und was Karajan angeht, werde er mit diesem Dirigenten, der für ihn der größte der Welt bleibe, sicher auch irgendwann wieder ins Geschäft kommen. Dazu seien er, der Sänger, und er, der Dirigent, einander viel zu ähnlich, was ihr künstlerisches Ethos angehe, immer das Maximum an Konzentration bei der Arbeit zu erreichen. „Karajan sei von derselben Größenordnung wie ich“, sagte Bonisolli 1981 in einem Interview mit der Opernwelt.

Diese Eigensinnigkeit bewies er auch bei den Korneuburger Festspielen. Es war knapp ein Jahr vor seinem Tod. Bonisolli gab bei seinem Arienabend wie gewohnt alles – nicht aber der Dirigent und das Orchester. Worauf Bonisolli dem Dirigenten den Stab aus der Hand nahm und selber zu dirigieren begann. Nach lautstarker Aufforderung das Orchester entsprechend zu führen und nach wiederholten Qualitätsmängeln seitens des Orchesters verließ Franco Bonisolli wütend die Bühne. Nach einer viel zu langen Pause kehrte er diesmal gnadenhalber zurück.

Seiner Karriere fand ihren Höhepunkt in den 70er und 80er Jahren. Auch in den 90er Jahren war Bonisolli mit Unterbrechungen noch zu hören. In der Saison 1999-2000 spielte er an der Wiener Staatsoper, als Manrico und Loris in Giordanos Fedora.

Bonisolli starb im Alter von 65 Jahren im November 2003 nach langer, schwerer Krankheit.

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